Ich hab lange gebraucht, um zu verstehen, dass mein Körper mit mir spricht. Und damit mein ich nicht dieses „Ich hab Hunger“-Signal oder das klassische Ziehen im Rücken, wenn man zu lange auf dem Sofa liegt. Nein, ich mein diese kleinen, scheinbar unwichtigen Hinweise. So Sachen wie „warum bin ich eigentlich ständig müde?“ oder „wieso seh ich auf einmal so fahl aus im Gesicht, obwohl ich eigentlich genug schlafe?“ oder auch „warum hab ich so oft Lust auf etwas Saures oder auf Chips, obwohl ich eigentlich satt bin?“ Früher hätte ich das einfach abgetan. Als Laune, Stress oder Wetter. Aber irgendwann häufen sich diese Sachen. Und plötzlich merkt man: Moment mal – das ist nicht nur Zufall. Das ist ein Muster. Und dieses Muster will mir was sagen.
Ich weiß noch ganz genau, wie es bei mir angefangen hat. Es war so ein Gefühl von chronischer Müdigkeit, aber nicht diese angenehme Erschöpfung nach einem langen Tag, sondern so ein bleiernes, dauerhaftes „nicht-auf-die-Beine-kommen“-Ding. Ich hab geschlafen, acht, manchmal neun Stunden. Und trotzdem bin ich morgens aufgewacht, als hätte ich die ganze Nacht Matheaufgaben gelöst. Mein Gesicht war verquollen, meine Gedanken träge, mein Körper schwer. Und ich dachte immer nur: „Ich brauch einfach Urlaub.“ Aber der Urlaub kam – und das Gefühl blieb. Dann hab ich angefangen zu googeln. Und da ging’s los. Plötzlich hab ich mich in zig Foren wiedergefunden, wo Leute ähnliche Symptome beschrieben. Und da fiel oft ein Begriff: Eisenmangel. Oder auch Vitamin-D-Mangel. Und ehrlich gesagt – ich war skeptisch. Ich dachte, so schlimm kann’s ja nicht sein. Aber ein Bluttest später war klar: Mein Vitamin D war bei 12. Optimal ist ab 30. Und Eisen? Auch grenzwertig. Also hab ich angefangen zu supplementieren. Jeden Tag ein kleines Tablettchen nach dem Frühstück, und ich hab’s nicht sofort gemerkt – aber nach drei Wochen war ich irgendwie… leichter. Nicht körperlich, sondern geistig. Als wäre ein Schleier weg. Und da wurde mir klar: Mein Körper hat die ganze Zeit gerufen – ich hab nur nicht hingehört.
Das zweite große Thema, das mir zu denken gegeben hat, war meine Haut. Ich hatte nie perfekte Haut, aber irgendwann war sie nicht mehr „normal schlecht“, sondern irgendwie… gestört. Ich bekam rote Flecken an den Wangen, meine Stirn war plötzlich voller kleiner Pickel, die sich hartnäckig hielten. Ich wechselte Cremes, ließ Make-up weg, probierte Naturkosmetik. Nichts half. Und dann las ich irgendwo, dass die Haut oft der Spiegel des Darms ist. Und das klang erst esoterisch – aber irgendwie auch logisch. Ich fing an, auf Zucker zu verzichten, zumindest größtenteils, trank morgens ein Glas Wasser mit Apfelessig und probierte, mehr fermentierte Lebensmittel zu essen. Und was soll ich sagen – es dauerte nicht lange, da wurde die Haut besser. Nicht perfekt, aber anders. Gesünder. Ich glänzte weniger, war weniger gerötet. Und was am faszinierendsten war: Ich fühlte mich auch im Bauch besser. Weniger aufgebläht, weniger träge nach dem Essen. Es war, als hätte ich aus Versehen eine Baustelle gefunden, die jahrelang ignoriert wurde.
Ein dritter Punkt, der mich wirklich überrascht hat, war mein plötzliches Verlangen nach Chips. Und zwar regelmäßig. Ich war nie der große Chips-Fan. Eher süß. Schokolade, Kuchen, Eis – das war mein Ding. Aber plötzlich hatte ich mehrmals die Woche so einen fast zwanghaften Drang nach Salz. Ich konnte nicht einfach aufhören, wenn die Tüte auf war. Ich dachte anfangs, es sei einfach Stress. Aber ich las dann irgendwo, dass Heißhunger auf Salziges ein Zeichen für Mineralstoffmangel sein kann. Vor allem Magnesium oder Kalium. Und siehe da – meine Ernährung war nicht gerade mineralstoffreich. Also begann ich, mehr Nüsse zu essen, Bananen, Spinat, und ich probierte Magnesiumcitrat in Pulverform. Und plötzlich – der Drang verschwand. Nicht komplett, aber dieses zwanghafte Gefühl war weg. Und ich merkte: Der Körper holt sich, was er braucht – wenn du’s ihm nicht gibst, dann verlangt er’s. Notfalls eben in Chip-Form.
Es gab noch ein Zeichen, das ich lange ignoriert hab, weil es so unspezifisch war: Kopfschmerzen. Ich hatte sie nicht jeden Tag, aber oft genug, um genervt zu sein. Meist am Nachmittag, manchmal beim Aufwachen. Ich dachte, es ist einfach mein Nacken. Oder zu wenig Wasser. Oder… einfach normal? Aber irgendwann wurde es mir zu viel. Ich begann, jeden Tag meine Wasserzufuhr zu dokumentieren, stellte fest, dass ich oft nicht mal auf 1,5 Liter kam. Also trank ich mehr. Dann beobachtete ich meine Ernährung. Käse, Schokolade, Kaffee – alles potenzielle Trigger. Ich experimentierte mit dem Weglassen und merkte: Kaffee war ein Riesenproblem für mich. Nicht wegen dem Koffein, sondern wegen der Säure. Ich stellte um auf Getreidekaffee und trank meinen ersten „richtigen“ Kaffee nur noch am Wochenende. Und siehe da: Die Kopfschmerzen wurden weniger. Nicht weg, aber beherrschbarer. Und ich verstand wieder ein Stück mehr, wie subtil der Körper kommuniziert. Man muss halt zuhören.
Eine ganz andere Geschichte war mein Bauch. Nicht das klassische „Bauchweh“, sondern dieses ständige Gefühl von aufgebläht sein. Ich fühlte mich nach fast jedem Essen schwer und unangenehm voll. Besonders nach Pasta oder Brot. Und ich dachte, das sei einfach normal. Ich meine, wer fühlt sich nach Spaghetti schon leicht? Aber irgendwann wurde es zu viel. Ich konnte kaum noch enge Jeans tragen, ohne dass sie einschneiden. Und dann begann ich, mein Essen aufzuschreiben. Ich stellte fest: Immer wenn ich Weißmehl aß, war mein Bauch danach wie ein Ballon. Ich probierte Dinkel – besser. Vollkorn – ging auch. Und dann testete ich zwei Wochen komplett ohne Gluten. Es war wie eine Befreiung. Mein Bauch war ruhig, kein Rumoren, kein Spannen. Und ich dachte mir: Wie lange hab ich das schon mitgeschleppt, ohne es zu merken? Nur weil es nicht „richtiges“ Bauchweh war?
Ein weiteres Zeichen kam ganz plötzlich. Ich hatte auf einmal Haarausfall. Richtig schlimm. Ganze Strähnen im Abfluss, beim Kämmen, auf dem Kopfkissen. Ich hatte Panik. Ich googelte alles – von hormonellen Schwankungen bis Autoimmunerkrankungen. Und dann fiel mir auf, dass ich in den letzten Monaten sehr einseitig gegessen hatte. Viel Brot, wenig Eiweiß, kaum frisches Gemüse. Einfach, weil ich müde war, keine Lust hatte zu kochen, und sowieso irgendwie „durchhing“. Ich fing an, mehr Nährstoffe einzubauen. Eier, Hülsenfrüchte, Haferflocken, Nüsse. Und ich kaufte mir ein gutes Haar-Vitamin, mit Biotin, Eisen, Zink. Es dauerte Wochen, aber dann wurde es besser. Und wieder dachte ich: Wie oft gibt uns der Körper Hinweise – wir müssen nur bereit sein, sie ernst zu nehmen.
Und dann war da noch der Schlaf. Oder eher: der Nicht-Schlaf. Ich war oft abends total müde, freute mich auf mein Bett – und lag dann trotzdem wach. Mein Kopf machte weiter. Ich grübelte, wälzte mich, wachte nachts auf und konnte nicht mehr einschlafen. Ich nahm es hin, dachte, es sei eben so. Aber irgendwann merkte ich: Mein ganzer Rhythmus war gestört. Ich war abends noch am Handy, las Mails, scrollte durch Social Media. Ich trank abends Wein, dachte, das hilft beim Runterkommen. Aber es half nicht – im Gegenteil. Ich schlief unruhiger, träumte komisch, wachte wie gerädert auf. Also stellte ich um. Kein Handy ab 21 Uhr. Kein Alkohol unter der Woche. Stattdessen Tee, Buch, vielleicht ein paar Zeilen Tagebuch. Und siehe da: Ich schlief besser. Es war kein Wunderheilmittel. Aber mein Körper hatte mir längst gesagt: So wie bisher – das funktioniert nicht.
All diese Dinge, diese kleinen und größeren Warnzeichen – sie kamen nicht über Nacht. Sie waren nicht laut, nicht dramatisch. Aber sie waren da. Und je länger ich sie ignorierte, desto schlimmer wurden sie. Aber das Gute ist: Der Körper verzeiht. Er will mit uns arbeiten. Er will gesund sein. Und wenn wir anfangen, hinzuhören, mit ihm zu kooperieren statt ihn zu übergehen – dann passieren echte Wunder. Keine magischen. Aber ehrliche. Mein Weg war nicht perfekt. Ich hab auch Rückfälle. Ich ess wieder zu viel Zucker, ich vergesse mein Vitamin D, ich trink abends doch ein Glas Wein zu viel. Aber ich merke es jetzt schneller. Und ich weiß, wie ich gegensteuern kann.
Ich glaub, das Wichtigste, was ich gelernt hab: Gesundheit beginnt nicht beim Arzt. Sie beginnt mit Aufmerksamkeit. Mit einem inneren „Moment mal – irgendwas passt hier nicht.“ Und mit der Entscheidung, das ernst zu nehmen. Nicht später. Jetzt.
Wenn du das hier liest und dich irgendwo wiedererkennst – in der Müdigkeit, im Blähbauch, im Heißhunger – dann ist das vielleicht dein Zeichen. Vielleicht bist du auch an dem Punkt, wo du merkst: Mein Körper schreit leise. Und vielleicht ist es Zeit, endlich hinzuhören.
