Es gibt Gerichte, die sind nicht nur Essen – sie sind ein Stück Zuhause. Wenn ich an meine Kindheit denke, sehe ich mich sofort wieder in der kleinen Küche meiner Oma. Es war Winter, draußen wehte kalter Wind, und drinnen roch es nach Butter, Brühe und einem Hauch Senf. Auf dem Herd stand ihr alter Emailletopf, der schon unzählige Mahlzeiten gesehen hatte, und darin köchelte das, was sie schlicht „Eier in Soß“ nannte. Für uns Kinder war das das größte Fest: einfache Zutaten, aber dieser Geschmack – cremig, würzig, vertraut. Und wenn ich ehrlich bin, genau dieser Duft bringt mich heute noch zurück in diese warme Küche von damals.
Oma kochte nie mit Maßbechern oder Küchenwaagen. Sie hatte ihr eigenes System: „Ein bisschen hiervon, ein Löffelchen davon, und dann nach Gefühl.“ Trotzdem wurde jedes Mal alles perfekt. Ich stand oft daneben, durfte die Eier abschrecken oder die Butter in den Topf geben, und jedes Mal hatte ich das Gefühl, an etwas Besonderem teilzunehmen. Heute, viele Jahre später, mache ich dieses Gericht noch immer, und obwohl ich moderne Küchenmaschinen und digitale Waagen habe – am Ende verlasse ich mich doch auf mein Gefühl, so wie sie.
Ich beginne wie sie: sieben Eier, das war immer ihre Zahl, weil sie sagte: „Ein Ei pro Esser und eins für die Pfanne.“ Sie legte sie vorsichtig in kochendes Wasser, genau vier bis fünf Minuten – „nicht hart, nicht weich, sondern genau richtig“. Dann goss sie das Wasser ab, ließ kaltes Wasser drüber laufen, und während die Eier abkühlten, schmolz in einem anderen Topf ein Stück Butter. Der Duft von Butter auf dem Herd – das ist der Moment, in dem ich weiß, dass gleich etwas Gutes passiert.
Dann kam Mehl dazu, etwa vier Esslöffel. Sie rührte mit einem Holzlöffel, bis alles leicht bräunlich wurde. „Nicht zu dunkel, sonst schmeckt’s bitter“, mahnte sie. Ich erinnere mich an dieses leise Brutzeln, das Geräusch, wenn das Mehl sich mit der Butter verbindet und der ganze Raum nach warmer Küche duftet. Danach goss sie langsam heiße Milch und Brühe hinein, immer abwechselnd, immer unter Rühren. Ich durfte den Schneebesen halten, und sie sagte: „Schlag, aber nicht spritzen!“
Wenn die Sauce anfing, cremig zu werden, kamen die kleinen Geheimnisse: ein Löffel Zucker, vier Esslöffel Senf, eine Prise Salz und Pfeffer, ein Spritzer Essig, und am Ende ein Schuss Sahne. Alles wurde zu dieser goldgelben, leicht glänzenden Soße, die nach Wärme und Zuhause schmeckte.
Sie probierte immer mit der Spitze des Löffels. „Noch nicht“, murmelte sie manchmal, „noch ein bisschen mehr Senf.“ Dann gab sie noch einen Klecks dazu, und plötzlich war alles im Gleichgewicht – nicht zu sauer, nicht zu mild. Diese Balance war ihre Kunst.
Die Eier, inzwischen geschält, legte sie vorsichtig in die Sauce. „Sie sollen baden, nicht kochen“, sagte sie und schob den Topf vom Herd. Dann ließ sie sie noch ein paar Minuten ziehen, während sie in Ruhe den Tisch deckte. Und ja, auch das war Teil des Rituals – das Tischtuch, die Teller mit den blauen Rändern, die kleine Schale mit Petersilie.
Wenn sie die Eier in Senfsoße servierte, war das nie nur eine Mahlzeit. Es war ein Moment, in dem die ganze Familie zusammenkam. Mein Opa saß mit seiner Zeitung, mein Bruder tunkte schon heimlich Brot in die Soße, und Oma tat so, als hätte sie’s nicht gesehen. Der erste Löffel war immer der beste: die Soße warm, die Eier zart, das Ganze leicht säuerlich, aber doch rund.
