08.11.2025

Wenn das Wunder-Heilmittel zum Risiko wird: Warum Ingwertee manchmal gefährlich sein kann

Ich erinnere mich noch gut an den Winter, in dem ich begann, jeden Tag Ingwertee zu trinken. Ich hatte in irgendeinem Magazin gelesen, dass er das Immunsystem stärkt, den Stoffwechsel anregt, den Körper reinigt – kurz gesagt, ein Wundermittel sei. Also kaufte ich ein großes Stück frischen Ingwer, schnitt ihn in dünne Scheiben, übergoss ihn mit heißem Wasser und dachte: „Na, das kann ja nur gut sein.“ Anfangs fühlte ich mich wirklich besser. Ich war wacher, meine Verdauung funktionierte wie ein Uhrwerk, und selbst bei Schmuddelwetter blieb ich erstaunlich fit. Doch nach einigen Wochen merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Ich bekam öfter Schwindel, mein Magen brannte, und eines Tages stand ich im Bad, hielt mich am Waschbecken fest und fragte mich: Kann es sein, dass ausgerechnet dieser gesunde Tee mir schadet?

Ich setzte mich später mit meiner Hausärztin zusammen, erzählte ihr, wie begeistert ich vom Ingwer war – und wie plötzlich mein Körper rebellierte. Sie lächelte und sagte einen Satz, den ich nie vergessen habe: „Alles, was wirkt, kann auch Nebenwirkungen haben.“ Ich starrte sie an, denn dieser Satz war so einfach und gleichzeitig so wahr.

Viele in Deutschland trinken Ingwertee, vor allem im Herbst und Winter. Er gilt als Hausmittel gegen Erkältung, Völlegefühl, Übelkeit oder einfach als „Wärme von innen“. Aber kaum jemand weiß, dass Ingwer eine stark wirkende Pflanze ist – und dass sie, so natürlich sie auch ist, in bestimmten Situationen echte Probleme machen kann.

Ich begann, mich intensiver damit zu beschäftigen. Nicht wissenschaftlich, sondern menschlich – so, wie man es eben tut, wenn man herausfinden will, was einem guttut und was nicht. Und was ich dabei entdeckte, hat mich überrascht.

Zuerst fiel mir auf, dass Ingwer den Blutzuckerspiegel senken kann. Das ist für viele eine gute Nachricht – wer zu viel Zucker im Blut hat, kann davon profitieren. Aber was ist, wenn jemand ohnehin niedrige Werte hat oder Medikamente gegen Diabetes nimmt? Ich erinnerte mich an meine Nachbarin, die Insulin spritzte und jeden Morgen eine Kanne Ingwertee kochte. Eines Tages fiel sie fast in Ohnmacht – der Zucker war zu stark abgesunken. Kein Mensch hätte gedacht, dass ausgerechnet der Tee schuld sein könnte.

Dann kam das Thema Blutgerinnung. Ingwer hat die Eigenschaft, das Blut dünnflüssiger zu machen. Für jemanden mit normalen Werten ist das gut, für Menschen mit empfindlicher Gerinnung oder für jene, die blutverdünnende Medikamente nehmen, kann es gefährlich werden. Ich erinnere mich an einen Bekannten, der nach einer kleinen Zahnbehandlung ungewöhnlich lange nachblutete. Er trank jeden Tag zwei große Thermoskannen Ingwertee – „weil das gesund ist“. Niemand hatte ihn darauf hingewiesen, dass er damit seine Gerinnung beeinflusst.

Und dann die Gallenblase. Ich wusste es selbst nicht, bis meine Mutter es am eigenen Leib erfahren hat. Sie hatte Gallensteine, und als sie plötzlich mit starken Schmerzen im Krankenhaus lag, sagte der Arzt, dass Ingwer die Gallenproduktion anregt. Wenn man aber Steine hat, kann diese anregende Wirkung zu einer Verstopfung der Gallengänge führen – und das tut weh, sehr weh. Ich erinnere mich, wie sie im Bett lag und sagte: „Ich wollte mich doch nur entgiften.“

Ein weiterer Punkt betrifft den Blutdruck. Ich habe selbst eher niedrigen Blutdruck, und genau das war vermutlich der Grund, warum mir an jenem Tag so schwindelig wurde. Ingwer erweitert die Gefäße, fördert die Durchblutung – aber bei Menschen mit ohnehin niedrigem Druck kann das zu Kreislaufproblemen führen. Das klingt harmlos, aber wer schon einmal erlebt hat, wie plötzlich die Welt vor den Augen verschwimmt, der weiß, dass das kein Spaß ist.

Und dann ist da noch der Magen. Viele trinken Ingwertee, um die Verdauung anzuregen oder Übelkeit zu lindern. Aber bei empfindlichen Menschen kann das Gegenteil passieren. Ich kenne jemanden, der nach jeder Tasse ein Brennen im Magen verspürte – er dachte, das sei normal, „weil es wirkt“. Doch bei näherem Hinsehen war es Reizung der Magenschleimhaut. Wer also an Gastritis oder Reflux leidet, sollte mit Ingwer sehr vorsichtig sein.

Nachdem ich all das erfahren hatte, änderte ich meine Gewohnheiten. Ich trank den Tee nicht mehr täglich, sondern nur noch ab und zu – vielleicht zwei- oder dreimal in der Woche. Ich machte ihn milder, weniger konzentriert. Statt fünf dicker Scheiben nahm ich zwei dünne. Ich trank ihn nicht mehr auf nüchternen Magen, sondern erst nach dem Frühstück. Und ich merkte: Plötzlich bekam er mir viel besser.

Es geht also nicht darum, Ingwer zu verteufeln – ganz im Gegenteil. Ingwer ist wertvoll. Er enthält ätherische Öle, Gingerol, viele Antioxidantien – Dinge, die unserem Körper helfen können. Aber alles hängt von der Dosis und dem Menschen ab.

Ich erinnere mich an eine ältere Dame aus meinem Bekanntenkreis. Sie sagte immer: „Früher war alles einfacher. Wir haben Kräuter genommen, aber nicht literweise.“ Und sie hat recht. Heute neigen wir dazu, alles zu übertreiben. Wenn ein Teelöffel gut ist, nehmen wir gleich drei. Wenn ein Glas gesund ist, trinken wir eine Kanne. Dabei vergessen wir, dass selbst das Beste im Übermaß zum Gegenteil führen kann.

Ein weiterer Fehler, den viele machen: Ingwertee als Dauergetränk. Morgens, mittags, abends – immer steht irgendwo ein Becher. Das belastet nicht nur den Magen, sondern auch die Leber. Denn Ingwer regt die Verdauung und den Stoffwechsel an – zu viel davon zwingt den Körper ständig in Aktivität. Ruhephasen fehlen. Ein bisschen wie ein Motor, der nie ausgeht – irgendwann läuft er heiß.

Ich habe gelernt, dass man beim Trinken von Ingwertee auf die Zeichen des Körpers hören sollte. Wenn dir nach einer Tasse warm wird, du dich wohl fühlst – wunderbar. Wenn du aber merkst, dass dir schwindlig wird, dass du müde wirst oder Druck im Magen hast – dann braucht dein Körper eine Pause.

Ich trinke meinen Ingwertee heute bewusst. Ich schneide eine Scheibe frischen Ingwer, gieße sie mit heißem Wasser auf, lasse sie zehn Minuten ziehen. Kein Zucker, kein Honig, manchmal ein Spritzer Zitrone. Ich setze mich hin, trinke langsam, und wenn ich merke, dass es mir guttut, freue ich mich. Wenn nicht, lasse ich’s bleiben.

Und wenn ich erkältet bin? Dann trinke ich ihn einen Tag lang – aber nicht als Dauertherapie. Dann hilft er tatsächlich: Er wärmt, beruhigt den Hals, entspannt die Muskeln. Aber sobald ich wieder gesund bin, reicht mir mein normaler Tee.

Ich habe oft beobachtet, dass viele in Deutschland Ingwertee wie ein Wundermittel behandeln – fast schon mit religiösem Eifer. In Zeitschriften steht: „Trinken Sie Ingwer täglich und bleiben Sie jung!“ oder „Ingwer – der natürliche Fettkiller!“ Das klingt toll, aber es ist eben nicht die ganze Wahrheit.

Meine Ärztin sagte einmal: „Ingwer ist kein Problem, solange Sie wissen, wer Sie sind.“ Und genau das ist der Punkt. Wenn du weißt, dass du Bluthochdruck hast, dann kann Ingwer helfen. Wenn du aber zu niedrigem Druck neigst, kann er dich umhauen. Wenn du Diabetes hast, kann er helfen, aber in Kombination mit Medikamenten gefährlich werden. Wenn du ein empfindliches Verdauungssystem hast, kann er beruhigen – oder reizen.

Ich glaube, das ist das eigentliche Geheimnis der Hausmittel: Sie funktionieren nur, wenn man sich selbst kennt.

Heute erzähle ich meine Geschichte gern, weil ich möchte, dass andere sich nicht blind auf Schlagzeilen verlassen. Ich möchte, dass sie neugierig sind, kritisch bleiben. Natur ist keine Einbahnstraße. Sie gibt viel, aber sie verlangt auch Respekt.

Meine Mutter trinkt heute auch wieder Ingwertee – aber seltener, und immer nach dem Essen. Sie sagt: „Alles in Maßen – das hat meine Oma schon gesagt.“ Und ich glaube, das ist das beste Rezept von allen.

Ich habe neulich in meinem Notizbuch aufgeschrieben: Ingwer ist wie ein guter Freund – wunderbar, wenn man ihn versteht, anstrengend, wenn man ihn überfordert.

Und genau das möchte ich weitergeben. Trink deinen Ingwertee, genieß ihn – aber hör auf deinen Körper. Nicht jede Wärme ist gut, nicht jede Stärke hilfreich.

Denn manchmal ist das, was uns gesund hält, dass wir wissen, wann genug ist.