08.11.2025

Wenn die Küche nach Sonntag riecht – mein Schweinebraten, wie ihn Oma gemacht hat

Zutaten:
1,5 kg Schweineschulter oder Schweinebraten
2 große Zwiebeln
3 Knoblauchzehen
Salz und Pfeffer nach Geschmack
2 EL Senf (mittelscharf oder altbayerisch)
2 EL Öl (am besten Raps- oder Sonnenblumenöl)
2 EL Kümmel (ganz oder gemahlen)
2 Lorbeerblätter
500 ml Brühe (Hühner- oder Gemüsebrühe)
250 ml trockener Rotwein

Es gibt Gerichte, die mehr sind als bloß Essen – sie sind ein Stück Erinnerung, ein Gefühl von Zuhause, ein Duft, der den Raum erfüllt und alles andere still werden lässt. Für mich ist genau das der Schweinebraten. Wenn ich ihn in den Ofen schiebe, riecht die ganze Wohnung nach Geborgenheit, nach Wärme, nach diesen langen Sonntagen, an denen die Familie gemeinsam am Tisch saß, der Tisch noch aus Holz war, der Senf im Glas stand und das Brot in Scheiben daneben. Heute ist vieles schneller, moderner, hektischer – aber ein Schweinebraten lässt sich davon nicht beeindrucken. Er braucht seine Zeit, seinen Rhythmus, und genau das macht ihn so besonders.

Ich erinnere mich noch genau, wie meine Oma den Braten vorbereitet hat. Sie war keine Frau vieler Worte, aber in der Küche sprach sie durch ihre Handgriffe. Sie konnte allein am Geräusch erkennen, wann das Öl heiß genug war, um das Fleisch anzubraten. Das Brutzeln, dieses satte, gleichmäßige Knistern – das war für sie Musik. Ich stand oft daneben, auf einem alten Holzschemel, und sah ihr zu. Ich durfte nie gleich helfen, zuerst musste ich nur schauen, wie sie es machte. „Ein guter Braten“, sagte sie, „braucht Geduld, und Geduld lernt man beim Warten.“

Ich begann also mit der Vorbereitung. Ein schönes Stück Schweineschulter – nicht zu mager, denn das Fett ist der Geschmacksträger. Ich nehme das Messer, ziehe es über das Fleisch, prüfe die Oberfläche. Das Fleisch fühlt sich kühl an, glatt, fest. Ich tupfe es trocken, dann massiere ich eine Mischung aus Salz, Pfeffer und Senf hinein. Der Senf sorgt dafür, dass sich die Aromen verbinden, und später bildet er zusammen mit dem Fett und den Zwiebeln diese leicht karamellisierte Kruste, die man eigentlich nur mit den Fingern abbrechen und direkt essen möchte.

Während der Braten kurz ruht, schäle ich zwei große Zwiebeln – sie sind das Rückgrat der Soße. Ich schneide sie in Ringe, nicht zu dünn, denn sie sollen im Ofen langsam Farbe bekommen. Drei Knoblauchzehen kommen dazu, in feine Scheiben geschnitten. Ich mag diesen Moment – der Duft von frischem Knoblauch mischt sich mit dem der Zwiebel, und ich weiß, das wird gut.

Ich erhitze Öl in einem schweren Bräter. Es dauert nie so lange, wie man denkt, bis das Öl den richtigen Punkt erreicht hat. Wenn man ein kleines Stück Zwiebel hineinwirft und es sofort brutzelt, ist es soweit. Ich lege das Fleisch hinein. Sofort ertönt dieses unverwechselbare Geräusch – das Zischen, das Spritzen, das Knistern. Es riecht nach Röstaromen, nach Wärme, nach Zuhause. Ich drehe das Stück, lasse jede Seite goldbraun werden. Es darf nicht eilen – das Fleisch braucht Zeit, um seine Farbe zu bekommen.

Dann kommen die Zwiebeln und der Knoblauch dazu. Sie saugen das Fett auf, werden langsam glasig, dann goldbraun. Ich gebe den Kümmel hinzu, zwei Lorbeerblätter, und rühre einmal sanft um. Der Kümmel – ja, viele mögen ihn nicht, aber für mich gehört er dazu. Er macht den Braten unverwechselbar, gibt ihm Tiefe, dieses typisch deutsche, herzhafte Aroma, das man schon riecht, bevor man es schmeckt.

Jetzt gieße ich den Rotwein an. Der Dampf steigt auf, trägt das Aroma durch die Küche. Für einen kurzen Moment riecht es, als würde man in einem Gasthof auf dem Land stehen, irgendwo in Franken oder Niederbayern, wo der Wirt noch selbst in der Küche steht. Ich lasse den Wein kurz einkochen, dann kommt die Brühe dazu. Alles vermischt sich, brodelt leise. Ich probiere die Soße – kräftig, salzig, leicht säuerlich, perfekt.

Der Ofen ist vorgeheizt auf 160 Grad. Ich schiebe den Bräter hinein, schließe die Tür und atme auf. Jetzt hat das Gericht übernommen. Der Braten braucht etwa drei Stunden, manchmal mehr, manchmal weniger – je nach Größe, Geduld und Laune des Ofens. Ich gieße alle 45 Minuten ein wenig von der Flüssigkeit über das Fleisch, damit es nicht austrocknet. Nach zwei Stunden nehme ich den Deckel ab, damit die Kruste Farbe bekommt. Sie wird langsam dunkler, glänzender, und ich weiß, jetzt kommt der beste Teil.

In dieser Zeit mache ich gern Beilagen. Kartoffelknödel sind klassisch, aber ich liebe auch Sauerkraut dazu – es gleicht die Fülle des Fleisches aus. Manchmal mache ich einen kleinen Rotkohl mit Äpfeln, Zimt und Nelken – das duftet fast wie Weihnachten.

Ich erinnere mich an einen Sonntag, an dem wir zu dritt in der kleinen Küche saßen – meine Mutter, meine Oma und ich. Es war Winter, draußen fiel Schnee, und drinnen beschlug das Fenster vom Dampf. Der Braten stand im Ofen, und Oma erzählte Geschichten aus ihrer Kindheit. Sie sagte, früher war Schweinebraten ein Festessen – man machte ihn nicht jede Woche, sondern nur, wenn Besuch kam oder ein besonderer Anlass war. Vielleicht ist das der Grund, warum er sich heute noch besonders anfühlt.

Nach etwa drei Stunden nehme ich den Bräter aus dem Ofen. Ich lasse ihn kurz stehen, damit sich das Fleisch setzen kann. Das ist wichtig – wenn man zu früh schneidet, verliert es Saft. Die Soße siebe ich ab, koche sie noch kurz ein, damit sie sämig wird. Ich nehme den Pürierstab und mixe die Zwiebeln hinein – sie geben der Soße Körper, Farbe, Geschmack. Ein kleiner Schuss Sahne, ein Klecks Butter, und sie glänzt.

Dann kommt der Moment, den jeder liebt: das Anschneiden. Ich drücke leicht mit dem Messer auf die Kruste – sie knackt, ganz fein. Das Fleisch darunter ist zart, rosa-braun, saftig. Der Duft ist unglaublich. Ich gieße etwas Soße darüber, sie perlt leicht an der Kruste ab und sammelt sich unten auf dem Teller. Dazu die Knödel, der Rotkohl – und der erste Bissen schmeckt nach Geschichte, nach Zuhause, nach allem, was man braucht, um sich gut zu fühlen.

Manchmal, wenn ich allein bin, mache ich den Braten trotzdem. Ich friere Portionen ein oder esse drei Tage davon – und keiner dieser Tage fühlt sich gleich an. Am ersten Tag frisch mit Soße, am zweiten Tag als Bratenbrot mit Senf und Gurke, am dritten Tag kalt aufgeschnitten auf Schwarzbrot. Jeder Tag hat seinen eigenen Geschmack.

Ich habe dieses Rezept inzwischen bestimmt zehnmal abgewandelt. Einmal mit Honig und Senf, ein anderes Mal mit Bier statt Rotwein, ein drittes Mal mit Apfelsaft und Apfelringen – jedes Mal wurde er anders, aber immer köstlich. Das Schöne an Schweinebraten ist, dass er verzeiht. Selbst wenn man ihn zu lange im Ofen lässt, wird er nicht böse – er wird einfach nur etwas kräftiger.

Vor einiger Zeit machte ich ihn für Freunde, die zum ersten Mal bei mir zu Besuch waren. Ich hatte ein bisschen Angst, dass es zu bodenständig wäre – in einer Zeit, in der alle Avocado-Toasts essen und vegane Bowls posten. Aber als der Braten auf dem Tisch stand, war es plötzlich still. Alle sahen auf die goldene Kruste, auf die dampfende Soße, und dann sagte einer: „Das riecht nach Kindheit.“ Mehr Kompliment braucht man nicht.

Ich glaube, ein Schweinebraten ist eines dieser Gerichte, die Menschen verbinden – weil jeder eine Erinnerung daran hat, auch wenn sie unterschiedlich ist. Vielleicht war’s bei jemandem die Oma, die ihn immer an Feiertagen machte. Vielleicht der Vater, der versuchte, das Rezept nachzukochen und am Ende die Küche in eine kleine Sauna verwandelte. Vielleicht auch einfach nur das Gefühl, nach einem langen Tag an einem Tisch zu sitzen, der nach Essen, Wärme und Ruhe riecht.

Wenn ich ehrlich bin, gibt es keine perfekte Anleitung für Schweinebraten. Es gibt nur Gefühl. Die Zutaten sind einfach, aber was man daraus macht, hängt davon ab, wie viel Herz man hineingibt. Man kann ihn mit Bier, mit Wein, mit Brühe machen – man kann ihn würzen, wie man mag. Hauptsache, man gibt ihm Zeit.

Und wenn er dann endlich auf dem Tisch steht, die Kruste golden, die Soße dickflüssig und dunkel, und der Duft durchs Zimmer zieht – dann weiß man, dass sich jede Minute gelohnt hat.

Ich setze mich, schneide ein Stück ab, tauche es in die Soße, koste, schließe kurz die Augen. Und denke: So riecht Sonntag. So schmeckt Erinnerung. Und so fühlt sich Zuhause an.