Manchmal sind es die vergessenen Schätze, die uns den größten Genuss bereiten. Genau so ging es mir, als ich neulich auf dem Dachboden meiner Großmutter eine alte, staubige Kiste fand. Zwischen vergilbten Fotos, Briefen und Küchengeräten, die schon lange niemand mehr benutzt, entdeckte ich ein handgeschriebenes Rezeptbuch. Die Seiten waren bereits brüchig, die Tinte an manchen Stellen kaum noch lesbar, aber als ich das Kapitel mit den Hauptgerichten aufschlug, blieb mein Blick sofort an einem Rezept hängen: Kohlrouladen. Mit zittriger Schrift hatte meine Oma darüber geschrieben: „Lieblingsgericht der Familie – aus der DDR-Zeit“. Mir schossen sofort Kindheitserinnerungen durch den Kopf. Ich konnte mich noch vage daran erinnern, wie Oma in ihrer kleinen Küche stand, den großen Kochtopf auf den Herd stellte und es im ganzen Haus nach geschmortem Kohl und würziger Soße duftete. Ich beschloss, dieses alte Familienrezept wieder aufleben zu lassen – und ich kann dir sagen, das Ergebnis war nicht nur unglaublich lecker, sondern auch ein kleines Stück Nostalgie auf dem Teller.
Die Geschichte der Kohlrouladen reicht weit zurück, und besonders in der DDR waren sie ein fester Bestandteil der Hausmannskost. Sie galten als sättigend, preiswert und vielseitig. Kohl gab es fast immer frisch vom Feld, und die Füllung konnte man je nach Vorräten variieren – mal mit Hackfleisch, mal mit Reis, manchmal sogar mit Kartoffeln oder Gemüse. Für viele Familien waren Kohlrouladen ein Sonntagsessen, das man gemeinsam mit den Liebsten genoss. Genau dieses Gefühl wollte ich mit meinem Nachkochen wieder aufleben lassen.
Zutaten für 6 Kohlrouladen:
- 1 großer Weißkohl (ca. 1,5 kg)
- 500 g gemischtes Hackfleisch (Rind und Schwein)
- 100 g durchwachsener Speck (gewürfelt)
- 1 große Zwiebel (fein gewürfelt)
- 1 Brötchen vom Vortag (eingeweicht und ausgedrückt)
- 1 Ei
- 2 EL Senf (mittelscharf)
- Salz, Pfeffer, Paprikapulver nach Geschmack
- 500 ml Fleisch- oder Gemüsebrühe
- 2 EL Schmalz oder Öl zum Anbraten
- 1 EL Mehl zum Binden der Soße
- Optional: etwas Speck oder Küchengarn zum Fixieren
Die Zubereitung ist ein kleiner Akt der Liebe, aber es lohnt sich jede Minute. Zuerst nimmt man sich den Weißkohl vor. Die äußeren Blätter werden entfernt, und dann kommt der Kohlkopf in einen großen Topf mit kochendem Salzwasser. Nach ein paar Minuten lassen sich die äußeren Blätter vorsichtig ablösen. Man braucht für jede Roulade ein großes Blatt, also etwa 6–8 Stück. Diese blanchierten Blätter legt man beiseite und lässt sie abtropfen.
In der Zwischenzeit wird die Füllung vorbereitet. Dazu brät man den gewürfelten Speck und die Zwiebel in einer Pfanne glasig an. In einer Schüssel vermischt man dann das Hackfleisch mit dem ausgedrückten Brötchen, dem Ei, Senf, Salz, Pfeffer und Paprikapulver. Wer es besonders herzhaft mag, kann noch eine Prise Majoran oder Kümmel hinzufügen – genau so hat es meine Oma immer gemacht. Dann kommen die Zwiebel-Speck-Mischung dazu, alles wird gründlich verknetet.
Nun wird jeweils ein Kohlblatt auf die Arbeitsfläche gelegt, ein bis zwei Esslöffel Füllung daraufgegeben und das Blatt straff eingerollt. Die Seiten werden eingeschlagen, damit die Füllung beim Schmoren nicht herausfällt. Man kann die Rouladen mit Küchengarn umwickeln oder mit einem kleinen Stück Speck fixieren – genau das war früher üblich, wenn man kein Garn zur Hand hatte.
Im nächsten Schritt werden die Rouladen angebraten. Dafür erhitzt man das Schmalz oder Öl in einem großen Bräter und brät die Rouladen von allen Seiten kräftig an, bis sie eine schöne, goldbraune Farbe haben. Dieser Schritt ist entscheidend für das Aroma. Wenn alle Rouladen angebraten sind, löscht man mit der Brühe ab und lässt alles bei mittlerer Hitze etwa 50–60 Minuten schmoren.
Der Duft, der sich während dieser Zeit in der Küche ausbreitet, ist unbeschreiblich. Es riecht nach würzigem Kohl, deftiger Fleischfüllung und einem Hauch von Nostalgie. Während die Rouladen vor sich hin schmoren, kann man schon einmal die Beilagen vorbereiten. Bei uns gab es dazu immer Kartoffelpüree oder Salzkartoffeln und eine sämige Soße.
Für die Soße nimmt man nach Ende der Garzeit die Rouladen vorsichtig aus dem Bräter und hält sie warm. Die verbliebene Flüssigkeit wird mit einem Esslöffel Mehl gebunden – früher hat meine Oma dafür einfach einen Löffel Mehl mit etwas Wasser verrührt und in den Bratensatz gegeben. Noch einmal kurz aufkochen lassen, abschmecken und fertig ist eine herrlich aromatische Soße, die perfekt zu den Rouladen passt.
Wenn man die Kohlrouladen anschneidet, sieht man die saftige Fleischfüllung, die sich wunderbar mit dem zarten Kohl verbindet. Jeder Bissen ist ein Stück Geschichte, ein Stück Kindheit und vor allem ein echter Genuss. Ich musste beim ersten Probieren tatsächlich an meine Oma denken – wie sie mit einem Lächeln am Tisch saß und immer sagte: „Iss dich satt, mein Kind, Kohlrouladen gibt es nicht alle Tage.“
Die Kohlrouladen nach DDR-Rezept sind nicht nur unglaublich lecker, sondern auch ein wunderbares Beispiel dafür, wie einfach und bodenständig gutes Essen sein kann. Sie machen satt, sie wärmen das Herz und sie bringen Menschen zusammen. Und genau das ist es, was ich an solchen Rezepten so liebe.
Heute habe ich dieses Rezept bereits mehrmals für Freunde und Familie gekocht, und jedes Mal sind alle begeistert. Besonders die Älteren erzählen dann gerne von früher und wie sie selbst als Kinder die Rouladen von der Mutter oder Oma gegessen haben. Es ist ein Gericht, das Generationen verbindet.
Ein kleiner Tipp: Wenn du mehr Zeit hast, mach gleich die doppelte Menge und friere ein paar Rouladen ein. Sie lassen sich hervorragend aufbewahren und schmecken nach dem Auftauen fast noch besser, weil sich die Aromen noch intensiver verbinden.
Und falls du dich fragst, ob man dieses Rezept auch variieren kann – natürlich! Vegetarier können die Fleischfüllung durch eine Mischung aus gekochtem Reis, Linsen und Pilzen ersetzen. Auch das schmeckt großartig und ist ebenso sättigend.
Ich hoffe, dass dieses alte DDR-Rezept auch bei dir einen festen Platz in der Küche findet. Es ist ein Stück kulinarisches Erbe, das wir bewahren sollten. Also schnapp dir einen Kohl, ein bisschen Hackfleisch und leg los. Deine Familie und deine Gäste werden dir dankbar sein, wenn sie diese herzhaften Rouladen probieren dürfen.
Zum Schluss noch eine kleine Anekdote: Meine Oma erzählte mir einmal, dass sie während der DDR-Zeit oft improvisieren musste. Nicht immer gab es Hackfleisch oder Speck, also hat sie die Rouladen mit allem gefüllt, was gerade verfügbar war. Mal mit Gemüse, mal mit altem Brot und Kartoffeln. Trotzdem hat sie es immer geschafft, dass es allen geschmeckt hat. Und genau diese Kreativität steckt auch heute noch in jedem Bissen.
Wenn du also das nächste Mal Lust auf ein echtes Hausmannsgericht hast, das nach Tradition und Geborgenheit schmeckt, dann probiere dieses Rezept aus. Vielleicht wirst auch du – so wie ich – ein kleines bisschen sentimental, wenn du die Rouladen auf den Tisch stellst und an deine Oma denkst. Guten Appetit!
